Hermann Reimer

Hermann Reimer geht es um das Einfangen der Stimmung, um Licht und Schatten, um die Luft zwischen Maler und Objekt. Diese Faszination führt ihn in die Natur, wo direkt vor dem Motiv atmosphärisch anmutende Stimmungsbilder entstehen. Es interessieren ihn nicht die spektakulären Landschaften, sondern die stillen, unauffälligen Flecken und Ausschnitte, wie eine versteckte Lichtung im Wald. Reimer konzentriert sich auf wenige Motive, die er mit einem pastosen Farbauftrag auf die Leinwand bannt. Dabei wagt er sich neuerdings an ein für diese Motive gewaltiges Format von 2 mal 1 Meter. Wir freuen uns darauf, unsere Begeisterung mit Ihnen zu teilen!Reimer war Meisterschüler bei Klaus Fußmann an der Hochschule der Künste in Berlin. Der 1959 geborene Künstler lebt und arbeitet in Berlin.

Vita

1959 geboren in Münster/Westfalen
1977-1983 Studium der Physik, Diplom
1984-1989 Studium der Malerei an der HdK Berlin
1990 Meisterschüler bei Prof. Klaus Fußmann
1994 Zweiter Preis beim Wettbewerb „junge kunst“, Hamm

Werke

Gerettete Malerei 

Klaus Fußmann über Hermann Reimer

Kunst ist immer wieder in Gefahr. In wiederkehrenden Zyklen wird ihr Ende angesagt und oft sogar schon festgestellt. Eine der ganz großen Krisen hat der Verfasser dieser Zeilen als jugendlicher Maladept selbst miterlebt. Es waren das nach dem Krieg von Wols und Fautrier entwickelte Informel, das in den fünfziger Jahren dann berühmt und bestimmend wurde, und der gleichzeitige amerikanische Abstrakte Expressionismus mit Pollock und de Kooning an der Spitze, welche überall als letzte Möglichkeit der Malerei angesehen wurden. Das, so schien es, war der Endpunkt der Malerei. Es gab viele Diskussionen darüber, ob denn hinter diesem letzten Archipel überhaupt eine weitere Malerei zu denken sei. Keiner konnte sich das vorstellen. Und so dümpelte der Tachismus, ein weiteres Wort für gestische Kunst, dahin – nach kurzer Zeit schon schal geworden, aber mit immer mehr Malern im Schlepptau. Ein Medium, die Malerei, schien ausgeschöpft zu sein.

Erst die Pop-Art sollte hier, zu Beginn der sechziger Jahre, der müde gewordenen Ästhetik des Informel ein Ende bereiten, indem sie das Primat der reinen Malerei aufhob und sich wieder an die narrative Verpflichtung eines Bildes erinnerte. In wenigen Jahren war die gesamte Kunstszene umgekrempelt und ein Weg aufgezeigt, der so weiträumig wie einleuchtend war, dass sich eine ganze, neue Welt für Maler damit auftat.

Es war ein Anfang voller Kraft und Hoffnung. Es war eine Kunst, die sich ihre Sujets, ihre Themen aus der Werbung, aus der Glitzerwelt des Films sowie aus ihrer eigenen Vergangenheit, nämlich Bilder der Kunstgeschichte, nahm und persiflierte. Aber auch hier dauerte es nur einige Jahre und wiederum begann ein Verfall: zur Pop-Art gesellten sich Arrangements wie Performance, Video, Environment etc., die sich an Stelle der Malerei setzten, Malerei also zum Handwerk ummodeln wollten. Ein vielleicht noch bedrohlicherer Zustand, der diesmal die gänzliche Abschaffung anpeilte.

Erst viel später, in der Post-Pop-Art, und noch später mit der Leipziger Schule, kamen die vorauseilenden Träume des Science-Fiction dazu, und Software und Internet lieferten einen ganzen Märchenwald an Möglichkeiten. Ein Kaleidoskop entstand aus Realismus, Zeitungsausschnitten, Anzeigen und Comics: Große und kleine Dinge wurden ohne Verhältnis zusammengefügt, oben und unten gänzlich aufgehoben, Gegenstände hatten keine Schwere mehr, Zeit und Zeitalter waren ohne Belang. Es entstand eine vorher nie gesehene Inflation der Phänomenologie, ein Chaos aus Fiktion, Wahrheit und Zufall, aber es entstand auch Hermeneutik, ja, eine Ahnung von Allegorie wehte uns manchmal an.

Das war die zweite Rettung der Malerei und diese ist bis heute noch wirksam. Als Hermann Reimer, von der Physik kommend, sich der Kunst verschrieb, war davon nur ein schwacher Morgenstreif sichtbar, und dieser Streif hieß Phillip Guston. Nur Strukturen für die große Deutung waren vorhanden, die Kunst selbst schwebte noch ziellos im gesellschaftlichen Raum. Zurück wollte man nicht, die Tradition blieb zerstört. Zu der Zeit war jede Kunsttheorie Äonen entfernt von der direkten Anschauung des Impressionismus, und Versuche im Expressionismus verliefen im Sande. Letztere, oft überzeugend gemalte Versionen, blieben doch international ohne Wirkung. Den jungen Malern in diesen neunziger Jahren, wovon mittlerweile die Rede ist, war Phillip Guston ein Vorbild. In seinem Geiste, in der Einfachheit seiner großzügigen Spätphase, fanden sie die bedingungslose Hingabe, die Offenheit, gepaart mit Kraft und Rigorosität die sie suchten. Seine Malerei überzeugte eine ganze Generation und so mancher fand durch ihn wieder zurück zur Malerei.

Der junge Phillip Guston allerdings gehörte in den fünfziger Jahren zu den Protagonisten des abstrakten Expressionismus, war damals schon sehr erfolgreich, aber, und das ist eines der seltsamsten Paradoxa der Kunstgeschichte, erst sein Spätwerk, welches wieder zurück ins Gegenständliche fiel – wieder zurück in die plakative, großformatige, wuchtige Malerei einfacher Dinge und Figuren – sollte jene Pop-Art überwinden, mit der er gar nichts zu tun hatte. Seine späte Malerei verhalf der Post-Pop-Art zu einer Plattform, die so wirkte, dass sie Hermann Reimer zu der entscheidenden Auseinandersetzung mit Malerei anregte. Über Gustons Vorbild wurde er zu einem suchenden, ernsthaft arbeitenden Maler. Die Kunst Hermann Reimers sieht heute ganz anders aus, vom Einfluss Gustons ist nichts mehr zu sehen, aber der Aufbruch kam über ihn.

Jeder neue Anfang ist schwierig, zwischen Vorstellung und Resultat liegen Welten. Eine neue Ästhetik ist zunächst ungelenk. Dazu kam, dass das Umfeld die Lösung nicht anbot, auch nicht vorgeben konnte. Nur die Tat konnte helfen, nur malend konnten Fiktion und Realität, die Egalität von Groß und Klein, von Gestern, Heute und Morgen sich zeitlos und so somnambul im Bilde vereinen. Glückt diese Malerei, ist sie faszinierend. Verlässt den Maler aber seine Intuition und findet er nicht aus dem Wust von tausend Möglichkeiten die richtige Fassette, bleibt sein Bild belanglos. Er ist gezwungen, das Wagnis einzugehen, muss sich immer wieder extrem entscheiden, und arbeitet so, zweifelnd und suchend und schließlich erkennend, am Mythos der Malerei.

Hermann Reimer weiß heute, was er tut. Er ist sicher geworden – soweit man davon in der Kunst überhaupt sprechen kann. Der Weg dahin war hart und der Pfad war schmal. Auch das sieht von außen immer anders aus, leichter, einfacher, aber es gibt jedes Mal eigentlich nur eine richtige Lösung. Diese zu finden verlangt Geduld und etliches an Stehvermögen. Hier ist es gelungen und wir freuen uns über die neue Kunst und darüber, dass im Chaos eine Ordnung gefunden wurde, und wir nehmen in Kauf, dass buchstäblich alle dargestellten Menschen, Häuser und Räume imaginär, virtuell sind. Daran haben wir uns gewöhnt, denn auch wir, die Zuschauer, die Anschauer eines Bildes von Hermann Reimer, haben mit der Zeit etwas von der neuen Kunst gelernt. Wir können das Bild jetzt lesen.